gemein­sam mit dem NABU Brandenburg

Frei­zeit­park oder Natio­nal­park – Das ist jetzt die Frage
Zum Ent­wurf der Novel­lie­rung des Natio­nal­park­ge­set­zes Unte­res Odertal

Mit dem Novel­lie­rungs­ent­wurf ver­ab­schie­det sich Bran­den­burg von einem ehr­li­chen und ernst zu neh­men­den Natur­schutz. Das Natio­nal­park­ge­setz von 1995, vom sei­ner­zei­ti­gen Umwelt­mi­nis­ter und heu­ti­gen Minis­ter­prä­si­den­ten Mat­thi­as Platz­eck durch­ge­setzt, war schon damals ein zwar wort­rei­ches, aber sub­stanz­ar­mes Gesetz. Neben reich­lich Umwelt­ly­rik befand sich mit dem Datum 2010 eigent­lich nur ein kon­kre­ter Punkt im Gesetz, alles ande­re soll­te auf der Grund­la­ge des Geset­zes per Rechts­ver­ord­nung gere­gelt wer­den, was bis heu­te aber noch nicht gesche­hen ist. Die­ses Jahr 2010, also das Datum, bis zu dem die Hälf­te des Natio­nal­parks, cir­ka 5.000 von 10.000 Hekt­ar, als Total­re­ser­vat rechts­ver­bind­lich aus­ge­wie­sen sein soll­ten, soll nun ersatz­los gestri­chen wer­den. Es wird statt des­sen noch nicht ein­mal durch ein neu­es Datum ersetzt.

Der Gesetz­ge­ber hat­te den Behör­den sei­ner­zeit 15 Jah­re Zeit gege­ben, um die Hälf­te des Gebie­tes als Total­re­ser­vat aus­zu­wei­sen, nur dann kann das Unte­re Oder­tal als inter­na­tio­nal aner­kann­ter Natio­nal­park bezeich­net wer­den. 10 der vor­ge­ge­be­nen 15 Jah­re sind bis­her weit­ge­hend unge­nutzt ver­stri­chen, und offen­sicht­lich traut sich Bran­den­burg nicht mehr zu, in den ver­blei­ben­den 5 Jah­ren das selbst gesetz­te Ziel noch zu errei­chen. Dabei gibt es durch­aus sozi­al­ver­träg­li­che und auch für die bis­he­ri­gen Nut­zer­grup­pen akzep­ta­ble Mög­lich­kei­ten, die­sem Ziel gerecht zu wer­den. Eigent­lich schrei­ben die Kri­te­ri­en des inter­na­tio­na­len Natur­schut­zes bei inter­na­tio­nal aner­kann­ten Natio­nal­par­ken einen Total­re­ser­vat­s­an­teil von min­des­tens 75% der Flä­che vor, 50% sind das gera­de noch akzep­tier­te Minimum.

Der ersatz­lo­se Ver­zicht auf ein kon­kre­tes Datum macht das gan­ze Natio­nal­park­ge­setz unver­bind­lich. Kon­flik­te wer­den nicht gelöst, son­dern auf den Sankt­nim­mer­leins­tag verschoben.

Ein Ver­zicht auf ein kon­kre­tes Datum wird nicht ohne Kon­se­quen­zen blei­ben, denn das Land Bran­den­burg hat sich im Natur­schutz­groß­pro­jekt „Unte­res Oder­tal“ gegen­über der Bun­des­re­gie­rung frei­wil­lig ver­pflich­tet, bis zum Jah­re 2010 die Hälf­te des Gebie­tes als Total­re­ser­vat aus­zu­wei­sen. So steht es im Zuwen­dungs­be­scheid von 1992. Soll­te das Land die­ser Ver­pflich­tung nicht nach­kom­men, so kann der Bund die För­der­mit­tel zurückfordern.

Es ist auch nicht akzep­ta­bel, ein Gebiet Natio­nal­park zu nen­nen, ohne die­ses nach einem fes­ten, über­schau­ba­ren und ver­bind­li­chen Zeit­plan wenigs­tens suk­zes­si­ve dahin zu ent­wi­ckeln. Der Qua­li­täts­be­griff Natio­nal­park wird durch eine sol­che Vor­täu­schung fal­scher Tat­sa­chen ent­wer­tet und zu einem Eti­ket­ten­schwin­del, der auch zum Nut­zen und Schutz ande­rer Natio­nal­par­ke abzu­leh­nen ist. Den­noch will das Land auf das wer­be­wirk­sa­me Prä­di­kat „Natio­nal­park“ nicht ver­zich­ten. Es ist ja auch Bran­den­burgs ein­zi­ger, wäh­rend sich das natur­räum­lich ähn­lich aus­ge­stat­te­te Meck­­len­­burg-Vor­­­pom­­mern drei Natio­nal­parks mit gro­ßem tou­ris­ti­schen Erfolg leis­tet. Der Ver­zicht auf das Eti­kett „Natio­nal­park“ wür­de näm­lich dazu füh­ren, dass nicht mehr wie bis­her in Mil­lio­nen­hö­he Flur­neu­ord­nungs­mit­tel, ins­be­son­de­re zum Aus- und Neu­bau von Stra­ßen, in das Gebiet flie­ßen wür­den. Noch ist das Unte­re Oder­tal das bei wei­tem am bes­ten geför­der­te länd­li­che Gebiet Bran­den­burgs, erstaun­lich, dass die ande­ren Regio­nen das ein­fach so klag­los hinnehmen.

Gegen die­se bevor­zug­te Sub­ven­tio­nie­rung einer Regi­on wäre auch nichts ein­zu­wen­den, wenn die Regi­on dafür in Form eines anspruchs­vol­len Natur­schut­zes eine Gegen­leis­tung erbräch­te. Das ist hier aber nicht der Fall, die Beloh­nung wird ver­nascht und die Gegen­leis­tung dafür nicht erbracht. Das ist nicht akzeptabel.

Nach § 22 des Bun­des­na­tur­schutz­ge­set­zes grün­den die Län­der Natio­nal­parks im Beneh­men mit dem Bun­des­um­welt­mi­nis­te­ri­um. Das gilt auch für das Natio­nal­­park-Novel­­lie­rungs­­­ge­­setz. In sei­ner Stel­lung­nah­me vom 27.04.2006 hat das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Umwelt, Natur­schutz und Reak­tor­si­cher­heit zu den bran­den­bur­gi­schen Novel­lie­rungs­plä­nen kri­tisch Stel­lung genom­men, zu der feh­len­den Zeit­vor­ga­be für die Aus­wei­sung von Wild­nis­ge­bie­ten (Total­re­ser­va­ten) heißt es:

„Ob die geplan­te Vor­ge­hens­wei­se mit der Vor­ga­be einer so genann­ten Schutz­zo­ne Ib ohne zeit­li­che Fest­le­gun­gen zur Schaf­fung der ange­streb­ten Nut­zungs­frei­heit den natio­na­len und inter­na­tio­na­len Ansprü­chen an den opti­ma­len Schutz der Kern­be­rei­che des Natio­nal­parks ent­spricht, ist zumin­dest fraglich.“

Das BMU sieht dar­in eine „Sen­kung der Stan­dards gegen­über dem gel­ten­den Gesetz“ und stellt fest, „dass die erwei­ter­ten Nut­zungs­mög­lich­kei­ten auch im Kern­ge­biet des mit BMU-Mit­­teln geför­der­ten gesamt­staat­lich reprä­sen­ta­ti­ven Gewäs­ser­rand­strei­fen­pro­jek­tes Unte­res Oder­tal nicht dem ver­folg­ten Schutz­ge­biets­zweck nach § 3 Nat­PUOG und auch nicht den gel­ten­den Vor­ga­ben des Mit­tel­ver­tei­lungs­schrei­bens für das Gewäs­ser­rand­strei­fen­pro­jekt“ ent­spre­chen. „Das trifft auch auf die Nut­zung der Pol­der durch Kanus und Kana­di­er im Kern­ge­biet zu.“

Was die ande­ren Auf­wei­chun­gen des Geset­zes betrifft, so kann man sicher bei der einen oder ande­ren Fra­ge­stel­lung geteil­ter Mei­nung sein. Dass an weni­gen aus­ge­wähl­ten Stel­len das Baden und Rei­ten erlaubt wird, dürf­te die Natur aus­hal­ten. Im Rah­men einer Kon­sens­fin­dung kann sich der För­der­ver­ein hier Bewe­gung vor­stel­len. Der Ein­stieg in den Was­ser­sport im Natio­nal­park ist aber abzu­leh­nen. Das was­ser­rei­che Land Bran­den­burg hat noch vie­le Seen, Flüs­se und Kanä­le, die nicht für den Was­ser­sport tou­ris­tisch erschlos­sen und genutzt sind. Auf 0,3 Pro­zent der Lan­des­flä­che – so klein näm­lich ist der ein­zi­ge Natio­nal­park des Lan­des – muss nun nicht auch noch Was­ser­sport betrie­ben wer­den. Es ist ein unnö­tig schwe­rer Ein­griff in ein ohne­hin schon durch ein äußerst dich­tes Wege­netz (ins­ge­samt 200 km lang) stra­pa­zier­tes Ökosystem.

Nega­tiv ist auch zu bewer­ten, dass das Natio­nal­park­ge­biet an eini­gen ent­schei­den­den Stel­len ver­klei­nert wer­den soll, es gehen dadurch die Schutz­strei­fen zwi­schen den mage­ren Tro­cken­ra­sen und den angren­zen­den inten­siv gedüng­ten Acker­flä­chen ver­lo­ren. Auch ver­dient ein soge­nann­tes Total­re­ser­vat, in dem das Sam­meln von Bee­ren und Pil­zen und damit das unge­hin­der­te Umher­strei­fen erlaubt ist, sei­nen Namen nicht. Bei allem Ver­ständ­nis dafür, dass bestehen­de tech­­nisch-indus­­tri­el­­le Lei­tun­gen erhal­ten und erneu­ert wer­den kön­nen, soll nun in dem neu­en Gesetz, anders als im alten, auch der Neu­bau von Lei­tun­gen erlaubt werden.

Gemein­sam mit der Novel­lie­rung des Natio­nal­park­ge­set­zes will das Land­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um auch eine Fische­rei­ver­ord­nung und eine Jagd­ver­ord­nung erlas­sen. Die Jagd soll unter dem Namen Wild­scha­dens­re­gu­lie­rung wei­ter­ge­führt wer­den. Dazu sind sogar im Total­re­ser­vat Wild-Kir­run­­gen mög­lich, außer­dem wird die Jagd in einem 80 m brei­ten Wald­rand­strei­fen inner­halb des Natio­nal­parks frei gege­ben. Wer den lang­ge­streck­ten, sehr schma­len Natio­nal­park kennt, weiß, dass davon sehr vie­le Wald­flä­chen betrof­fen sind. Das alles ist unnö­tig und schäd­lich, dem Natio­nal­park­ge­dan­ken in jedem Fal­le abträg­lich. Die Fische­rei soll selbst in der Schutz­zo­ne Ib, also in den geplan­ten Total­re­ser­va­ten wei­ter­hin mög­lich sein, die Ange­lei aller­dings nur in bestimm­ten Berei­chen, in der Schutz­zo­ne II dage­gen gene­rell mit gewis­sen zeit­li­chen Ein­schrän­kun­gen. Aus Natur­schutz­sicht ist vor allem die weit­ge­hen­de Angel­er­laub­nis in der Zone II, vor allem aber auch in den geplan­ten Total­re­ser­va­ten (Zone Ib) voll­kom­men inak­zep­ta­bel. Denn damit sind erheb­li­che Stö­run­gen und Ver­un­rei­ni­gun­gen ver­bun­den, die in einem Natio­nal­park nicht zu tole­rie­ren sind. Die Fische­­rei- und Jagd­ver­ord­nun­gen wider­spre­chen auch dem Mit­tel­ver­tei­lungs­schrei­ben des Bun­des für das Natur­schutz­groß­pro­jekt Unte­res Odertal.

Der För­der­ver­ein lehnt daher die vor­ge­se­he­ne Geset­zes­no­vel­lie­rung, aber auch die dazu­ge­hö­ri­gen Ver­ord­nun­gen zur Fische­rei, Ange­lei und Jagd ab, ins­be­son­de­re den damit ver­bun­de­nen Eti­ket­ten­schwin­del. Bran­den­burg muss sich ent­schei­den! Ent­we­der muss es einen ver­bind­li­chen Zeit­plan in über­schau­ba­ren Zeit­räu­men fest­schrei­ben, in dem die Hälf­te des Natio­nal­parks als Wild­nis­ge­biet aus­ge­wie­sen wird oder es muss sein Unver­mö­gen ein­ge­ste­hen, auch nur einen ein­zi­gen Natio­nal­park zu schaf­fen, auf das pres­ti­ge­wirk­sa­me Eti­kett „Natio­nal­park“ ver­zich­ten und statt des­sen einen wei­te­ren Natur­park aus­wei­sen. Irgend­wann schlägt für jeden ein­mal die Stun­de der Wahrheit.

Tom Kir­schey, Lan­des­vor­sit­zen­der NABU Brandenburg
Tho­mas Berg, Vor­stands­vor­sit­zen­der Förderverein