Um den Großschifffahrtsweg Berlin – Stettin (Szczecin) ganzjährig für größere Frachtschiffe befahrbar zu halten, den Ertrag der Landwirtschaft im Odertal selbst und die Vorflut für das weiter südlich gelegene Oderbruch zu verbessern, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts das bis dahin von Menschen noch weitgehend unverbaute Odertal nach holländischen Plänen umgestaltet. Mehrere Nass- und Trockenpolder entstanden.
Die Trockenpolder, beispielsweise der Friedrichsthaler Polder (5/6) (650 Hektar) oder der Lunow Stolper Polder (1.680 ha) sind sogenannte Trockenpolder, das heißt sie werden durch Deiche ganzjährig von Überflutungen geschützt und können auch ganzjährig landwirtschaftlich genutzt werden. Die sogenannten Nass- oder Überflutungspolder, beispielsweise der Criewener Polder (A) (1.644 ha), der Schwedter Polder (B) (1.303 ha) oder der Fiddichower Polder (10) (1.773 ha) sind nur im Sommerhalbjahr durch sogenannte Sommerdeiche von Überflutungen geschützt, im Winterhalbjahr, ab Oktober, werden die Einlassbauwerke geöffnet, und das dann häufig steigende Oderwasser kann in die Polder strömen und durch Auslassbauwerke bei niedrigem Wasserstand auch wieder nach Norden hinaus fließen. Ab dem 15. April eines jeden Jahres werden auf Weisung der zuständigen Nationalparkverwaltung zunächst die Einlassbauwerke und, nach Abströmen des Wasser entsprechend dem natürlichen Gefälle, auch die Auslassbauwerke geschlossen und das im Polder immer noch verbliebene Wasser nach Schließen der Bauwerke kosten- und energieaufwendig abgepumpt. Ab 2015 verzichtet der Leiter der Nationalparkverwaltung nach langjährigem Drängen des Nationalparkvereins, der praktisch alleiniger Besitzer der landwirtschaftlichen Nutzflächen im Fiddichower Polder (10) ist, wenigstens dort auf das Abpumpen. Ein erster Erfolg.
Entsprechend einer vom Land Brandenburg selbst in Auftrag gegebenen wasserwirtschaftlichen Machbarkeitsstudie fordert der Verein aber darüber hinaus, dass im Fiddichower Polder (10) auch die Ein- und Auslassbauwerke ganzjährig offen bleiben, damit sich dort der Wasserstand auf wenigstens halbwegs natürliche Weise dem der Oder anpassen kann. Auch im Criewener und Schwedter Nasspolder (A/B) müssen die Ein- und Auslassbauwerke wenigstens bis zum 31. Mai eines jeden Jahres offen bleiben, möglichst natürlich länger, um natürliche Wasserverhältnisse zu ermöglichen.
Der Nationalparkverein setzt sich auch sehr dafür ein, dass auf polnischer Seite der Gartzer Polder und der Schillersdorfer Polder als Herzstück des grenzüberschreitenden Internationalparks Unteres Odertal ungenutzt und durch ganzjährig offene Tore kontinuierlich mit dem Wasserstand der Ost- und Westoder verbunden bleiben. Die von polnischer Seite geplante Wiederinbetriebnahme der technischen Bauwerke, die damit verbundene Wasserstandsregulierungsmöglichkeit und die daraus folgend zu erwartende landwirtschaftliche Nutzung des Gebietes wird vom Nationalparkverein und seinen Naturschutzpartnern auf polnischer Seite abgelehnt.
Historische Wasserwirtschaft
Noch bis Anfang dieses Jahrhunderts konnte die Oder im unteren Odertal weitgehend ungehindert mäandern. Wie so oft zeigte sich auch an der Oder die Notwendigkeit, nach wasserbaulichen Eingriffen in einen Strom diese bis zur Mündung fortzusetzen. Die Trockenlegung des Oderbruches im 18. Jahrhundert machte wasserbauliche Maßnahmen im unteren Odertal erforderlich, um die sehr wenig Gefälle aufweisende untere Oder als Vorfluter nutzen zu können und den Rückstau zum Schutze des Oderbruches immer weiter nach Norden zu verlagern. Wegen des geringen Gefälles kann sich das Wasser im unteren Odertal bei starkem Nordwind stauen. Auflandige Winde erhöhen den Ostseespiegel bei Swinemünde (Swinoujscie) und veranlassen durch Rückstrom eine Auffüllung des Haffs und des Dammschen Sees. Ablandige Winde haben den gegenteiligen Einfluss.
Naturnahe Wasserbewirtschaftung
Ohne Frage hängt die Zukunft des Auennationalparks Unteres Odertal von der Qualität und der jahreszeitlich unterschiedlichen Menge des Oderwassers ab, oder allgemeinverständlicher formuliert: Ein Auennationalpark ohne Wasser ist wie ein Oktoberfest ohne Bier! Der Nationalparkverein sah von Anfang an seine Aufgabe darin, für möglichst naturnahe Wasserverhältnisse im unteren Odertal zu werben. Seinem jahrelangen Drängen ist es zu danken, dass ab 2015, also immerhin 20 Jahre nach der Nationalparkgründung, wenigstens im Fiddichower Polder (10) das kosten- und energieintensive Abpumpen des Wassers durch die Nationalparkverwaltung eingestellt wurde, ein erster Erfolg! Immerhin stand diese Forderung bereits im 1999 verabschiedeten Pflege- und Entwicklungsplan und war durch eine vom Land Brandenburg in Auftrag gegebene und finanzierte wasserwirtschaftliche Machbarkeitsstudie ausdrücklich als machbar und sinnvoll qualifiziert worden. Der Nationalparkverein hatte seine Forderung mit einer intensiven Landerwerbsstrategie untersetzt, die es ihm ermöglichte, alle Nutzer auf die vertraglich zugesicherte Bereitschaft zu verpflichten, ohne Regressforderungen auch natürliche Wasserverhältnisse zu akzeptieren. Spätestens mit der vorläufigen Besitzeinweisung im Namen der Unternehmensflurneuordnung im Sommer 2013, die praktisch den gesamten Fiddichower Polder (10) als Wildnisgebiet (Zone I) plant und dem Nationalparkverein zuweist, gab es nun wirklich keinen Grund mehr, weiterhin das Wasser aus dem Auennationalpark herauszupumpen.
Wasserqualität
Der Bau von neuen Kläranlagen im Einzugsbereich der Oder und die Stilllegung einiger umweltbelastender Industrien im Odereinzugsgebiet haben zu einer abnehmenden Schadstoffbelastung des Oderwassers und der vom Oderwasser überfluteten Polder geführt, insbesondere mit Schwermetallen. Dennoch sind die Belastungen der Böden im Überflutungsbereich wie in den Nasspoldern immer noch sehr hoch. Entsprechend der aktuellen Untersuchungen hat das Wasser in der Oder, in der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße und in den Poldergewässern eine mittlere Qualität.
Oderausbau
Die Oder ist bis auf zwei kleinere Wehre in Schlesien eine der letzten großen, noch nicht quer verbauten Flüsse Mitteleuropas. Das liegt auch daran, dass sie hinter der mährischen Pforte als Tieflandfluss nur noch wenig Gefälle aufweist. Da die Oder aber anders als der Rhein nicht gletschergespeist ist, bleibt die Schiffbarkeit der Oder von den Niederschlägen im Odereinzugsgebiet, insbesondere im Riesengebirge abhängig. Das führt dazu, dass die Oder an wenigen Tagen wegen Hochwasser und an vielen Tagen wegen Niedrigwasser nicht schiffbar ist. Deshalb wurde gerade von polnischer Seite immer wieder Interesse an einem Oderausbau geltend gemacht, verbunden mit der Hoffnung auf eine EU-Finanzierung, aktuell wieder durch die nationalkonservative Regierung in Warschau. Die deutsche Seite zeigt sich dagegen deutlich reservierter. Nach langen Verhandlungen wurde am 27. April 2015 das bilaterale „Abkommen über die gemeinsame Verbesserung der Situation an den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzgebiet“ unterzeichnet. Ziel dieses Abkommens ist es, künftig die Hochwasserabflussverhältnisse an der Grenzoder zu optimieren, stabile Fahrwasserverhältnisse insbesondere für den Einsatz der deutsch-polnischen Eisbrecherflotte sicherzustellen und die Fahrt von Küstenmotorschiffen zwischen dem Hafen Schwedt und der Ostsee zu ermöglichen.
Hochsee-Hafen Schwedt
Der neue Schwedter Hafen ist schon heute, spätestens aber nach der Vertiefung der Klützer Querfahrt, für kleinere Küstenmotorschiffe erreichbar. Die Papierfabriken in Schwedt hatten einen gewissen Bedarf geltend gemacht. Allerdings war bei früheren Planungen immer darauf geachtet worden, dass Küstenmotorschiffe nur bis zum Hafen Schwedt und nicht etwa zu den wenige Meter südlich gelegenen, eigenen Bollwerken der Papierfabriken fahren können. Aber gerade dieser direkte Anschluss wäre den Papierfabriken wichtig, um kostenaufwendige, zusätzliche Umladungen mit allen Gefahren von Beschädigungen zu vermeiden. Vor allem die Stadt Schwedt legt aber großen Wert darauf, um den nach wie vor hochdefizitären Hafen in die Nähe der Gewinnzone zu bringen. Der neue, völlig überdimensionierte Schwedter Hafen war mit sehr hohen Subventionen am Rande des Nationalparkes aus dem Boden gestampft worden, ist bis heute aber defizitär wegen fehlender Tonnage und wird von den Schwedter Stadtwerken aus wirtschaftlich ertragreicheren Bereichen quersubventioniert. Die meisten Erträge des Hafens stammen auch nicht aus dem Umschlag, sondern von den im Hafengebiet angesiedelten Industriebetrieben. Der Nationalparkverein hat schon zu Beginn der Hafenplanungen öffentlich darauf hingewiesen, dass diese unwirtschaftliche Investition auf Jahrzehnte hinaus subventionsbedürftig bleiben würde. So ist es dann auch gekommen.