Wald spielt im Nationalpark Unteres Odertal flächenmäßig nur eine untergeordnete Rolle. Neben den Resten von Hart- und Weichholzauwald im Poldergebiet gibt es an den Odertalhängen, also auf den alten Seitenmoränen des Urstromtals der Oder, einige bemerkenswerte Hangwälder. Da sie forstwirtschaftlich durch ihre mitunter steile Hanglage schlecht zu nutzen und schwer erreichbar sind, befinden sie sich in einem naturnahen Zustand und wurden schon mit der Gründung des Nationalparks (1995) weitgehend in die Schutzzone I (Totalreservat) eingegliedert.
Das bedeutet, dass die Forstwirtschaft hier eingestellt worden ist und die Bäume wachsen, aber auch fallen und liegenbleiben dürfen, wie sie wollen. Hier entwickelt sich wirkliche Wildnis, und Wildnis kann gefährlich sein. Bei Sturm ist von Wanderungen in diesen Wäldern dringend abzuraten.
Auch die Jagd ist in diesen Wildnisgebieten eingestellt. Nur in den Hangwäldern werden auf ein bis zwei Drückjagden pro Jahr überschüssige Schalenwildbestände (Wildschweine, Rehe, Hirsche) abgeschöpft, um Wildschaden auf der umgebenden Feldflur zu vermeiden, aber auch Verbissschäden im Wald und damit Naturverjüngung zu ermöglichen. Wir nennen das nicht Jagd, sondern Wildbestandsregulierung. Die ist solange erforderlich, bis die natürlicherweise hier vorkommenden Raubtiere wie Wolf (Canis lupus), Luchs (Lynx lynx) und Bär (Ursus arctos) wieder heimisch geworden sind und ihre Aufgabe im Ökosystem übernehmen können. Erst dann kann die Jagd eingestellt werden. Der Wolf ist schon da, dezimiert vor allem das Rehwild, hauptsächlich das alte und kranke, aber auch den Biber oder Kleinraubtiere wie den Fuchs, der, wenn er unbegrenzt überhandnimmt, den ohnehin nur noch dünnen Wiesenbrüterbestand in der Oderaue gefährdet. Wir hoffen also auf diese Weise ein relatives ökologisches Gleichgewicht im Wald zu erzielen, möglichst ohne menschliche Eingriffe.
Aber schon heute ist der natürliche Laubwald sehenswert. Wanderer können beispielsweise von Lunow bis Criewen auf vielen und guten Wanderwegen durch die urwüchsigen Hangwälder wandern, aber besser nicht bei Wind oder gar Sturm.
Auwälder
Auwälder waren, wie alte Karten beweisen, im Mittelalter weit ausgedehnt und bedeckten über zwei Drittel der Fläche des Odertals. Durch die landwirtschaftliche Nutzung wurde der Auwald immer weiter zurückgedrängt. Das Aufkommen neuer Bäume wurde durch Mahd- und Trittschäden, durch den Verbiss der Wild- und Weidetiere, aber auch durch die ausbleibende Überflutungsdynamik des im Poldergebiet nicht mehr frei fließenden Stromes verhindert. Solche Überflutungen wären erforderlich, um die dichte Vegetationsdecke zu öffnen und auf den Erosionsflächen den angeschwemmten oder angewehten Baumsamen gute Keimungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Der Hartholzauwald ist ein von Eichen und Ulmen dominierter Wald auf feuchtem Standort in der Aue, der die regelmäßigen Winterhochwasser gut verkraftet. Im unteren Odertal setzt sich der Hartholzauwald überwiegend aus der Flatterulme (Ulmus laevis) und der Stieleiche (Quercus robur) zusammen. Ein größeres Restvorkommen des Hartholzauwaldes findet sich rund um den Welsesee.
Überflutungen im Sommer, während der Vegetationsperiode, verkraften Hartholzauwälder vergleichsweise schlecht. Die Auswirkungen des extremen Sommerhochwassers 1997 lassen sich am Welsesee gut erkennen. Dort starben 1997 zahlreiche Ulmen und Eichen ab, deren tote Stämme noch heute in den Himmel ragen. Aber dies ist ein natürlicher Vorgang, der wiederum anderen Lebewesen neue Lebensräume erschließt.
Auch der Weichholzauwald findet sich nur noch an wenigen Stellen des unteren Odertals, beispielsweise als Silberweiden-Schwarzpappel-Auwald am Crieort, im Vordeichgebiet bei Criewen, Lunow oder an der alten Oder. Weichholzauwald setzt sich aus verschiedenen Weiden- und Pappelarten zusammen, von denen vor allem
- Silberweide (Salix alba)
- Purpurweide (Salix purpurea)
- Zitterpappel (Populus tremula)
- Silberpappel (Populus alba)
- Schwarzpappel (Populus nigra)
zu nennen sind. Die einheimische Schwarzpappel ist stark bedroht und erfährt in einem eigenen Förderprojekt eine neue, wissenschaftlich begleitete Verbreitung.
Es ist vorgesehen, im Rahmen des Naturschutzmanagements den Anteil des Auwaldes wieder zu vergrößern. Entsprechend dem Pflege- und Entwicklungsplan ist die Auwaldinitialisierung auf bis zu 1.000 Hektar Flächen vorgesehen. Dies soll unter anderem durch Initialpflanzungen erreicht werden, die die ansonsten dichte Krautschicht öffnen und nach einigen Jahren schützender Pflege einen sich selbst reproduzierenden Auwald hervorbringen. Die Landnutzer sind darüber hinaus gehalten, Gehölze und Gewässerränder wirksam auszugrenzen, um die natürliche Verjüngung des Auwaldes zu erleichtern.
Hangwälder
An den Odertalhängen gibt es in den Talungen und Quellschluchten Feuchtwälder, die von der Esche (Fraxinus exelsior) dominiert werden und in sehr guter Ausbreitung anzutreffen sind. Dieser Eschen-Feuchtwald verdient besondere Beachtung und ist in Deutschland vergleichsweise selten anzutreffen.
Schöne Hangwälder befinden sich im Lunower Hölzchen, im Gellmersdorfer Forst, im Südteil der Peterberge und im Norden zwischen Gartz und Mescherin.
In den Hangwäldern dominieren natürlicherweise die Buchen, wie sie heute noch im Gellmersdorfer Forst anzutreffen sind. Auf oberflächlich versandeten Böden ist ein Hainsimsen-Buchenwald anzutreffen, in dem eine Reihe von Säureanzeigern, z. B. die Schlängel-Schmiele (Deschampsia flexuosa), der Dornige Wurmfarn (Dryopteris carthusiana) oder die Pillen-Segge (Carex pilulifera) regelmäßig vorkommen. Auf kalkreichen Böden, beispielsweise Geschiebelehm, findet sich sehr selten im Gebiet ein Seggen-Buchenwald, der durch die Berg-Segge (Carex montana) und eine Reihe von Orchideen (z. B. Cephalanthera damasonium) gekennzeichnet wird.
Hauptsächlich sind im unteren Odertal jedoch Waldmeister- und Waldgersten-Buchenwälder zu finden. Für sie sind in der Bodenschicht die Gold-Taubnessel (Lamium galeobdolon), die Ährige Teufelskralle (Phyteuma spicatum), der Waldmeister (Galium odoratum), das Einblütige Perlgras (Melica uniflora), das Christophskraut (Actaea spicata), das Leberblümchen (Hepatica nobilis) oder, seltener vorkommend, die Türkenbundlilie (Lilium martagon) kennzeichnende Arten.
Viele dieser Standorte sind heute von Hainbuchen, Traubeneichen, Stieleichen oder Winterlinden besiedelt und machen ebenfalls einen naturnahen Eindruck. Diese Hainbuchen-Waldgesellschaften dürften an der Oder jedoch ein anthropogenes „Kunstprodukt“ sein, also die Folge eines andauernden Nieder- oder Mittelwaldbetriebes. Nach neuesten Erkenntnissen sind die heutigen Eichen-Hainbuchenwälder des Hügellandes und der Odertalhänge anthropogen. Die Standortfaktoren entsprechen jenen der Buchenwälder. Wo aber die starkwüchsige und schattentolerante Buche gedeihen kann, verdrängt sie die anderen, ihr unterlegenen Baumarten. In einigen typischen Eichen-Hainbuchenwäldern, beispielsweise im Lunower Hölzchen, beginnen junge Buchenwälder aufzuwachsen und die natürliche Entwicklung einzuleiten. Bislang war man in Fachkreisen davon überzeugt, dass die Buche auf den meisten dieser Standorte nicht gedeihen könne und diese Flächen den Eichen und Hainbuchen vorbehalten blieben.
Eine besondere Rarität unter den Waldgesellschaften des Nationalparkes stellen die Ulmen-Hangwälder an den Steilhängen der Glazialflächen zum Odertal dar. Alle drei Ulmenarten bestimmen die Baumschicht: Flatterulme (Ulmus laevis), Feldulme (Ulmus minor), Bergulme (Ulmus glabra). Eine reiche Bodenflora ergänzt das Bild. Hier sind der Zwerg-Lerchensporn (Corydalis pumila) und das Zerstreutblütige Vergißmeinicht (Myosotis sparsiflora) kennzeichnende Arten.