Um die Vorflut für das auch nach der Kultivierung unter nicht abfließender Nässe leidende Oderbruch zu verbessern, darüber hinaus die Schifffahrt zwischen Berlin und Stettin ganzjährig zu sichern und die Situation der Landwirtschaft zu optimieren, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts das noch heute im Wesentlichen funktionierende Wassersystem geschaffen. Dabei wurde die bis dahin mäandrierende Stromoder an den Ostrand des Tals verlegt, die am Westrand verbleibenden Altarme von Oder und Welse wurden mit einigen Durchstichen zur Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße verbunden, die schleusenfrei direkt über die Westoder mit der Ostsee in Verbindung steht. Zwischen der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße im Westen und der Stromoder im Osten entstanden nach holländischem Vorbild mehrere Polder. Bei Criewen und Schwedt entstanden Nasspolder, die im Herbst nach Öffnen der Einlass- und Auslassbauwerke entsprechend dem Wasserstand der Oder überflutet werden. Im Winterhalbjahr stehen dann große Teile dieses Nasspolders (4.720 Hektar) langfristig unter Wasser.
Im Frühjahr fließt das Wasser zunächst entsprechend dem Gefälle durch die Auslassbauwerke ab, schließlich wird der verbleibende Rest energie- und kostenaufwendig abgepumpt, zunächst werden die Einlass‑, später auch die Auslassbauwerke geschlossen, so dass der Wasserstand im Polder mitunter deutlich tiefer als der Wasserstand der Stromoder fällt. Dadurch erhalten die Landwirte die Möglichkeit, schon im Mai die Wiesen und Weiden zu nutzen.
Problematische Wasserwirtschaft
Aus ökologischer Sicht stellt diese Wasserwirtschaft aus den 30iger Jahren des vorherigen Jahrhunderts ein großes Problem dar, weil viele Lebensgemeinschaften der Aue, die sich im Winter und Frühjahr dort eingerichtet haben, durch das Trockenlegen der Polder plötzlich ihren Lebensraum verlieren. Insbesondere die Vögel, die auf höher gelegenen Flächen im Polder vom umgebenen Wasser geschützt, ihr Brutgeschäft begonnen haben, sitzen plötzlich mit ihren Gelegen auf dem Trockenen, die dann rasch eine Beute der Raubsäuger werden. Für einen Auennationalpark ist das ein unhaltbarer Zustand.
Immerhin ist auf ständiges Drängen des Nationalparkvereins hin von der Nationalparkverwaltung 2015 wenigstens im Fiddichower Polder (10) das jährliche Abpumpen eingestellt worden. Allerdings werden die Ein- und Auslassbauwerke immer noch im Frühjahr geschlossen. Die sollten aber ganzjährig offen bleiben, wie es eine von der Brandenburgischen Regierung in Auftrag gegebene, wissenschaftliche Machbarkeitsstudie selbst fordert. Das ist das nächste Ziel, das der Nationalparkverein von der Nationalparkverwaltung erreichen will. Darüber hinaus sollten im anderen großen Nasspolder, dem Criewen Schwedter Polder (A/B), die Ein- und Auslassbauwerke frühestens zum 31.05. eines jeden Jahres geschlossen werden. Auch das ist eine Forderung aus der wissenschaftlichen Machbarkeitsstudie.
Wirtschaftliche Landwirtschaft und Wildnisentwicklung im Konflikt
Wenn sich 50 Prozent des Nationalparkes nach aktueller Gesetzeslage zur Wildnis entwickeln sollen, müsste das Wasser, entsprechend dem jeweiligen Stand des Oderstroms, ungehindert ein- und ausströmen können. Für die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die auch weiterhin extensiv bewirtschaftet werden sollen (Zone II), muss man in der Vegetationsperiode einen gewissen (niedrigen!) Wasserstand garantieren, damit noch wirtschaftliche Landwirtschaft betrieben werden kann. Für den Fiddichower Polder (10), der vollständig zum Wildnisgebiet werden soll, und den Friedrichsthaler Polder (5/6), der ganz überwiegend Zone-II-Gebiet werden soll, ist das vergleichsweise einfach. Für den Criewen Schwedter Polder (A/B), in dem eng verzahnt Zone-I- und Zone-II-Flächen liegen, dürfte es sehr schwer werden, Wasserverhältnisse zu schaffen, die der Landwirtschaft und der Wildnisentwicklung gleichermaßen gerecht werden.
Wasserbaulichen Unterhaltungsmaßnahmen
Wichtig sind auch die wasserbaulichen Unterhaltungsmaßnahmen an den Bundeswasserstraßen, insbesondere der Stromoder und der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße. Hier wurden nach dem sogenannten Jahrhunderthochwasser 1997 alle Deiche aufwendig erhöht und verbreitert, Buhnen neu gebaut und Steinschüttungen angelegt. Alle Ein- und Auslassbauwerke wurden renoviert oder sogar neu gebaut. Die wasserbaulichen Anlagen sind jetzt alle wieder nach den gängigen Normen perfektioniert. Ob dieser schwere Eingriff in den einzigen Auennationalpark Deutschlands sinnvoll und notwendig war, darf bezweifelt werden. Wegen der offiziellen Begründung „Hochwasserschutz“ war aber keine Gegenrede erlaubt. Künftig wird es darum gehen bei den Unterhaltungsmaßnahmen, in Gesprächen mit der Bundeswasserstraßenverwaltung Formen zu finden, die die Nutzung der Wasserstraßen als Großschifffahrtsweg weiterhin ermöglichen und dennoch möglichst wenig in den Naturhaushalt eingreifen, wie es sich für einen Nationalpark gehört. Da liegt noch eine Menge (Kooperations-) Arbeit vor allen Beteiligten.