Jahrespressekonferenz
des Vereins der Freunde des Deutsch-Polnischen Europa-Nationalparks Unteres Odertal e. V.
am Dienstag, dem 13.01.2004
1. Das vergangene Jahr 2003 war für den Verein ein erfolgreiches Jahr. Er konnte die ihm satzungsgemäß und im Rahmen des Naturschutzgroßprojektes von gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung gestellten Aufgaben erfüllen und eine finanziell ausgeglichene Bilanz vorlegen. So wurden weiterhin Flächen erworben. Die erworbenen Flächen wurden entsprechend dem Pflege- und Entwicklungsplan entwickelt und gepflegt und Umweltbildung und Wissenschaft wurden insbesondere im deutsch-polnischen Kontext nach Kräften gefördert.
Auch in dem begonnenen Jahr 2004 wird der Verein wie bisher unabhängig und eigenverantwortlich, schwerpunktmäßig dem Naturschutz verpflichtet, seine Aufgaben erfüllen. Er wird weiterhin alle geeigneten Flächen, die ihm angeboten werden, käuflich erwerben, er wird den Landtausch intensivieren und den Pflege- und Entwicklungsplan auf den vereinseigenen Flächen möglichst betriebsverträglich umsetzen. Das nun schon traditionell (seit 1998) angebotene Exkursionsprogramm mit angesehenen Fachleuten aus den wissenschaftlichen Einrichtungen Berlin und Brandenburgs wird fortgesetzt, ebenso die rege Publikationstätigkeit. Die Jugend- und Schülerarbeit wird weiterhin bei der gGmbH in der Wildnisschule Teerofenbrücke und im Nationalparklabor liegen, die Erwachsenenbildung in den Händen der Brandenburgischen Akademie Schloss Criewen – Deutsch-Polnisches Umweltbildungs- und Begegnungszentrum.
2. Über seine eigenen Aufgaben hinaus wird sich der Verein auch weiterhin aktiv an allen umweltrelevanten Diskussionen und Entscheidungsprozessen der Region beteiligen. Er fühlt sich nicht nur dem Naturschutz, sondern auch der regionalen Entwicklung im Allgemeinen verpflichtet. Er wird insbesondere dann seine warnende Stimme erheben, wenn Natur und Umwelt gestört und beschädigt oder wenn Gemeineigentum und Steuergeld sinnlos verschwendet werden, entsprechend seiner Gemeinnützigkeit und Sozialverpflichtung als unabhängiger und unbestechlicher Sachverwalter der Belange von Mensch, Pflanze und Tier im Unteren Odertal.
3. Ernüchtert müssen wir Anfang 2004 feststellen, dass praktisch alle Großprojekte Brandenburgs mit hohen finanziellen Verlusten gescheitert sind. Es ist dringend notwendig, umzusteuern:
Kleine dezentrale Projekte bringen neuen Aufschwung und neue Arbeitsplätze. Im Unteren Odertal bedeutet das zum Beispiel eine Verbrennungs- oder Vergasungsanlage für Grasschnitt und Schilf, das im Nationalpark in einschüriger Mahd im August oder September gemäht wurde und in den heutigen landwirtschaftlichen Kreisläufen nicht mehr zu verwenden ist, zur Energiegewinnung. Nachwachsende Rohstoffe werden eine immer größere Rolle spielen. Das heißt aber auch die Schaffung touristischer Schwerpunkte, beispielsweise eines großen Wisentgeheges bei Criewen in der Nähe des noch weitgehend ungenutzten Parkplatzes. Der Verein verfügt über die entsprechenden Flächen. Er kann, aber muss nicht unbedingt die Trägerschaft dafür übernehmen.
4. Wir halten es für einen großen Fehler, den gelegentlich von intensiver Seite geschürten Streit zwischen Teilen der Wirtschaft und der Schwedter Stadtverwaltung und dem Naturschutz immer wieder auf das Neue anzufachen. Das schädigt das bundesweite Image einer stark auf Zuwendung und Unterstützung von außen angewiesenen eher benachteiligten Region. Wichtig wäre vielmehr eine gemeinsame Imagekampagne unter dem Motto: „Schwedt, die erfolgreiche Industriestadt am Nationalpark Unteres Odertal“. Das gäbe es in Deutschland kein zweites Mal. Wir wünschen uns viele neue Industrieansiedlungen und Arbeitsplätze im Schwedter Industriegebiet und um die PCK-Raffinerie GmbH. Wir werden aber auch einen Nationalpark, der seinen Namen wirklich verdient, nach Kräften verteidigen und sehen darin überhaupt keinen Widerspruch. Der öffentliche Streit über die Verkehrswegeprojekte, beispielsweise über den Ausbau der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße zwischen Schwedt und der Westoder für Küstenmotorschiffe oder den Neubau der B 166 nebst neuem Grenzübergang hat Schwedt deutschlandweit geschwächt, ja teilweise hat sich Schwedt der Lächerlichkeit preisgegeben. Nicht nur alle großen Tageszeitungen und Fernsehsender, auch Provinzblätter wie die Rheinland Pfalz oder der Weser Kurier haben darüber entsprechend berichtet. Nun, wo beide Verkehrsplanungen aus Mangel am Geld (fehlende Maut-Einnahmen) und wegen der fehlenden Zustimmung Polens auf absehbare Zeit nicht verwirklicht werden, sollten wir die Diskussion auf eine neue Grundlage stellen. Aber selbst wenn der Naturschutz mit Teilen der Stadtverwaltung und der Wirtschaft in dieser Frage entgegengesetzter Meinung ist, so sollte man doch in allen anderen, weit überwiegenden Fragen auch zu Gemeinsamkeiten und zur Zusammenarbeit finden können. Dann und nur dann hat die von Schwedt sinnvollerweise angestoßene Imagekampagne auch Erfolg.
5. Und nun noch einige Bemerkungen zum Naturschutz im Nationalpark:
a.) Die sogenannte Wasserstudie war für uns keine Überraschung. Sie hat genau die Ergebnisse gezeitigt, die der Auftraggeber vom Auftragnehmer verlangt hat: Die Status-Quo-Sicherung – keine Veränderungen. Ohne Wasser aber lässt sich ein Auennationalpark nicht verwirklichen. Er sitzt sozusagen auf dem Trockenen, wie sich gerade im letzten Sommer erschreckenderweise gezeigt hat. Erst wurden die Nasspolder trockengepumpt, dann ist der Nationalpark buchstäblich vertrocknet. Wir wollen das kostenaufwendige Abpumpen entsprechend dem Pflege- und Entwicklungsplan nach und nach einstellen und ein etwas naturnäheres Wasserregime zulassen, wenn auch kontrolliert. Wir werden also weiterhin alles daransetzen – wie es auch unsere Aufgabe ist – den Pflege- und Entwicklungsplan, so wie er 1999 zwischen dem MLUR, dem BfN und uns abgestimmt worden ist, auch umzusetzen.
b.) Auch die Ausweisung von Totalreservaten macht eigentlich erst Sinn, wenn auch Wasser im Nationalpark ist, sonst wachsen in den nicht mehr gepflegten Totalreservaten nicht die eigentlich natürlichen Auen-Lebensgemeinschaften, sondern lediglich Brennnesseln und Quecken. Das sieht schrecklich aus und mindert die Akzeptanz. Deswegen heißt unsere Devise: Erst das Wasser und dann die Totalreservate, oder am besten beides gleichzeitig.
Der Vorstand