Polnische Regierung will Corona-Aufbaufonds für Rekultivierung des Zwischenoderlandes im Unteren Odertal nutzen
Wie einem Artikel in der polnischen Zeitung ‚Gazeta Gryfińska‘ vom 11. Mai 2021 zu entnehmen ist, plant die polnische Regierung in Warschau, vertreten durch den staatlichen Wasserbetrieb Wody Polskie (Polnische Gewässer), für die Rekultivierung des polnischen Zwischenoderlandes (Międzyodrze), im Wesentlichen identisch mit dem Landschaftsschutzpark Unteres Odertal (Park Krajobrazowy Dolina Dolnej Odry), den insgesamt 750 Milliarden Euro schweren EU-Corona-Aufbaufonds zu nutzen. Dieses Geld hatte sich die EU auf Schuldenbasis selbst bewilligt, um die Folgen der Pandemie abzumildern. Diese Mittel waren eigentlich für Investitionen vorgesehen, die mit der Pandemie etwas zu tun haben, also für Klima- und Biodiversitätsschutz, Digitalisierung, Gesundheit und andere Zukunftsthemen. Wie nicht anders zu erwarten, sollen aber mit diesem Geld, das sich die europäischen Regierungen zur freien Verfügung, ohne Auflagen und Kontrollen, genehmigt haben, allein in Polen bis 2030 2.500 km neue Straßen und Autobahnen gebaut werden, wie die FAZ am 17. Mai 2021 berichtete (Seite 5).
Auch soll mit diesen Geldern nun das polnische Zwischenoderland rekultiviert werden, was die ursprünglich als Geldgeber vorgesehene Weltbank, Entwicklungsbank des Europarates und die EU-Kommission, nach anfänglicher Inaussichtstellung, wegen erkennbarer Unsinnigkeit schließlich abgelehnt hatten. Nun will die polnische Regierung dieses Projekt eben alleine finanzieren, am liebsten dafür aber in den Corona-Aufbaufonds der EU greifen.
Das auf deutscher Seite unter dem Namen Schillersdorfer und Gartzer Polder bekannte Gebiet wurde vor 100 Jahren vom preußischen Staat mit holländischen Fachleuten eingedeicht und, vergleichbar dem heute auf deutscher Seite liegenden Fiddichower Polder (Polder 10), bewirtschaftet. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges, als diese Gebiete jenseits von Oder und Neiße zu liegen kamen und damit polnisch wurden, fiel diese rund 6.000 Hektar große Fläche weitgehend brach. Die wasserbaulichen Anlagen wurden nicht wieder in Betrieb genommen, das Wasser konnte je nach Wasserstand der Oder ein- und ausfließen. Es entwickelte sich eine sekundäre Wildnis. Eine Wildnis sozusagen aus zweiter Hand, die so wertvoll war, dass sie von der polnischen Wojewodschaft als Landschaftsschutzpark ausgewiesen wurde.
Die polnische Regierung plant nun, dieses Gebiet wieder in landwirtschaftliche Nutzung zu nehmen, die Deiche zu ertüchtigen und 33 Ein- und Auslassbauwerke wieder aufzubauen. Dafür sind 80 Millionen Złoty (rund 17,5 Millionen Euro) vorgesehen. Nun scheint es so weit zu sein. Der Hintergrund ist offensichtlich die Hoffnung, für diese bisherige Wildnis eine EU-Agrarförderung kassieren zu können, wenn diese Flächen wieder in die Bewirtschaftung genommen werden. Denn landwirtschaftliche Nutzfläche hat Polen mehr als genug, um seine Bevölkerung ernähren zu können.
Sinnvoller wäre es dagegen, ohne große Kosteninvestition, sich diese Naturidylle weiter natürlich entwickeln zu lassen und das einzigartige Feuchtgebiet, ein für den Klimaschutz sehr bedeutendes Niedermoor, extensiv zu nutzen. Für die touristische Nutzung könnte ein schöner Rundweg rund um das Zwischenoderland auf den alten Deichen für Fahrräder und Fußgänger eingerichtet werden, von dem man die Natur herrlich beobachten kann. Auch ein extensiver Kanutourismus wäre denkbar.
Darüber hinaus soll die Klützer Querfahrt, welche die West-Oder mit der Ost-Oder quer durch den polnischen Landschaftsschutzpark verbindet, ausgebaggert werden. Obwohl auf dem polnischen Territorium gelegen, werden die Baukosten zu großen Teilen vom deutschen Steuerzahler aufgebracht. Dann können endlich auch hochseetaugliche Küstenmotorschiffe mitten durch den Deutsch-Polnischen Internationalpark Unteres Odertal fahren. Profitieren wird von dieser millionenschweren Baumaßnahme, wenn überhaupt, nur eine einzige Firma.
Als Drittes haben das deutsche Verkehrsministerium und das polnische Umweltministerium im Jahre 2015 vereinbart, die Buhnen an der Grenzoder stärker auszubauen. Die Oder wird dann schmaler, fließt schneller und vertieft ihr Bett. Mangels Wasser dürfte dadurch die Schiffbarkeit kaum verbessert werden, der ohnehin in Ostbrandenburg sinkende Grundwasserspiegel aber noch schneller und stärker sinken. Auch diese geplante Baumaßnahme ist nicht nur eine Geldverschwendung, sondern ökologisch kontraproduktiv.
Der Verein der Freunde des Deutsch-Polnischen Europa-Nationalparks Unteres Odertal e. V. (Nationalparkverein) setzt sich, als aktives Mitglied in einem Verbund praktisch aller großen Naturschutzorganisationen, mit ökonomischen wie ökologischen Argumenten gegen den geplanten Ausbau der Oder zur Wehr. Das Vorhaben ist wirtschaftlich unvernünftig und ökologisch eine Katastrophe.
Der Nationalparkverein hat seinerzeit als erstes die heimlich vorbereiteten Oder-Ausbau-Pläne entdeckt, öffentlich gemacht und sich mit Schreiben an die Weltbank und die Bundesregierung, als Stimme der Vernunft, Gehör verschafft. Er sieht es weiterhin als seine vornehmste Aufgabe an, die Reste sekundärer Wildnis zu wahren, zu entwickeln und für die Menschen, Bewohner wie Besucher, zu erschließen.
Der Vereinsvorstand